Geschäftig und Beschäftigt – Über soziale Normen in den neuen Arbeitswelten

Sie sind da, sie prägen uns, sie beeinflussen unser Verhalten. Die sozialen Normen der Arbeit. Damit sind vor allem die impliziten, dh. nicht ausgesprochenen Annahmen und Bewertungen gemeint, die uns in unserem Verhalten in der Arbeitswelt ständig begleiten.

Besonders sichtbar werden sie bei der Implementierung flexibler Arbeitsraum- und Arbeitszeitkonzepte. Unternehmen, die sich auf einen Flexibilisierungsprozess eingelassen haben, berichten von der Notwendigkeit, einige tradierte sozialen Normen aufzubrechen.

Eine dieser sozialen Normen ist: Anwesenheit (am Schreibtisch) und Sichtbarkeit bedeuten Produktivität.

Auch wenn die expliziten Regeln viel Freiraum lassen, die Zuschreibung, dass Arbeit irgendwie sichtbar sein muss ist weit verbreitet. In Zeit der Wissens- und Lösungsarbeit, ist das Ergebnis von Arbeit immer weniger angreifbar und damit sichtbar – im Gegensatz zu einem gefertigten Produkt. Arbeit wird primär sichtbar über konzentriert am Schreibtisch sitzen, in einer Besprechung sein, telefonieren usw.

In Gesprächen mit Unternehmen, die flexibles Arbeiten und /oder neue Arbeitsraumkonzepte eingeführt haben, wurde als eine große Herausforderung genannt, dass ein gewisses Maß an Sichtbarkeit von Mitarbeitern und Führungskräften als wichtig eingestuft wird.

Wer kennt das nicht: wenn mein Vorgesetzter wahrnimmt, dass ich konzentriert vor dem Bildschirm sitze, telefoniere oder von Meeting zu Meeting eile, werde ich als produktiv und ARBEITEND wahrgenommen. Bei höheren Positionen dreht sich diese Wahrnehmung meist um, das heißt wer viel abwesend und nicht verfügbar ist, wird als wichtig und wertschöpfend wahrgenommen.

Welches Verhalten als Arbeit wahrgenommen wird und welches nicht, ist erstaunlich tief geprägt von Jahrzehnten einer Anwesenheitskultur.

Wir wissen alle aus eigener Erfahrung, dass man offensichtlich sehr konzentriert, beschäftigt in den Bildschirm starren kann, und gerade äußerst unproduktiv ist. Gleichzeitig kann man, in einer Cafeteria sitzend, ein scheinbar lockeres, aber sehr produktives Gespräch führen.

Wie sehr prägen uns trotz dieses Wissens und dieser Erfahrung am eigenen Leib noch immer die sozialen Normen von Arbeit aus dem letzten Jahrhundert?

Die Antwort liegt schon in der Frage versteckt. Wir haben dieses Verhalten lange, lange geübt und gelernt. Auch nach 20 Jahren und mehr mit Performance Management hat die Sichtbarkeit des Arbeitsprozesses immer noch einen hohen Stellenwert.

Die große Herausforderung für Unternehmen, die Arbeit zeitlich und örtlich flexibilisieren möchten, ist, die sozialen Normen der Arbeit neu zu definieren. Dazu braucht es Führungsinstrumente, die helfen „Arbeit“ und deren Ergebnisse gut zu operationalisieren, eine regelmäßige und spontane Kommunikation dazu und eine echte Vertrauenskultur. Der Umgang mit Vertrauen, Vertrauensvorschüssen, Vertrauenskonten will gelernt und geübt sein (siehe Gucher/Liegler/Neundlinger/Rack, NEW DEAL, 12 Prinzipien für eine produktive Zukunft, 2014). Auszug aus dem Buch

Aber es liegt nicht nur an den Führungskräften diese alten Muster der Bewertung aufzubrechen. Es wird vielfach beobachtet, dass Mitarbeiter sich nicht wohlfühlen, wenn sie für ihre Führungskraft und das Team gar nicht sichtbar sind. Anwesenheit und Geschäftigkeit sind Teil der Norm und ein vermeintliches Zeichen von Wichtigkeit. Wenn keiner sieht wie geschäftig ich bin, sieht auch keiner wie wichtig ich bin. Dieses Bedürfnis sucht sich neue Kanäle, sei es in der Menge an produzierten emails, die Häufigkeit von cc Kopien, die Absendezeit von emails und vieles mehr. Bei der Einführung von Social Enterprise erlebt man inzwischen Diskussionen um den richtigen Umgang mit dem „Online Status“ – ein Feld, wo es noch viel über Verhalten und soziale Normen zu lernen gibt.

Nur am Rande erwähnt werden können hier weitere damit verbundene Herausforderungen – Überlastung, Abgrenzung, Gesundheit, Selbstverantwortung. Reglementierung von Seiten der Arbeitgeber, wie teilweise schon ausprobiert, kann aus meiner Sicht zwar ein Anstoß aber keine umfassende Lösung sein, da sie in den alten Mustern von Kontrolle verharrt. Es geht vielmehr um die Etablierung neuer sozialer Normen und dazu braucht es Zeit, eine signifikante Menge von Vorbildern, gestärkte Eigenverantwortung und viel Vertrauensvorschuss.

von |Dezember 23rd, 2014|Schlagwörter: , , , |

Das Potential neuer Arbeitsräume

Räumliche Veränderung hat einen starken Effekt auf die Unternehmenskultur, aber neue Räume alleine schaffen noch keine Kulturveränderung. Arbeitsräume – die Gestaltung der Arbeitsplätze, deren Anordnung, Treffpunkte, Gänge und Wege – reflektieren die Werte des Unternehmens und formen Verhaltens- und Interaktionsmuster mit.

Die Veränderung von Räumen unterbricht die vorhandenen Muster. Fürs erste, … aber die Kultur ist stärker. Wird nicht gleichzeitig an der Weiterentwicklung der Unternehmenskultur gearbeitet, vergibt man das Potential der neuen Räume. Das Ergebnis ist „alter Wein in neuen Schläuchen“.

Welches Potential steckt nun in einer räumlichen Veränderung?

Die Chance des weißen Blatts!

Wann schon haben Sie die Möglichkeit das „Wie wir arbeiten“ völlig neu zu denken? Ein Umzug in ein neues Gebäude, ein Neubau, ein Umbau eröffnet die Möglichkeit, quasi auf einem weißen Blatt neu zu entwerfen, wie Sie in Zukunft arbeiten wollen. Das neue Quartier soll ja zukunftsfähig sein. Oder Sie kopieren das bestehende Raumkonzept einfach in das Neue? Das wäre eine vertane Chance, denn ist bei Ihnen wirklich alles noch so wie es war, als Sie das jetzige Büro bezogen haben?

Es braucht eine tiefere Auseinandersetzung als Arbeitsplätze in einer Fläche anzuordnen, es ist mehr als die Diskussion um Einzelzimmer, Gruppenbüros und shared desk. Es geht um eine Positionierung des Unternehmens für eine zukünftige Arbeitskultur.

Wie stehen Sie zur Flexibilisierung der Arbeit, wie verändert sich Führung, welche Technologien beeinflussen Ihre Arbeit, woraus entsteht Ihre Wertschöpfung, wie wichtig ist Kollaboration und Kommunikation, Gesundheit und Ihre Attraktivität als Arbeitgeber, um nur einige Dimensionen zu nennen, die es gilt zu erfassen und zu gestalten.

Die neuen Arbeitsräume müssen diese neue Arbeitskultur in ihrer Gestaltung unterstützen, aber es braucht einen Kulturwandel, einen Wandel in Einstellungen, Glaubenssätzen, Normen und die damit verbundenen Signale, damit die neuen Räume ihre Wirkung auch entfalten können. Das geht nicht von heute auf morgen und ist ein Prozess, der weit über das Umzugsdatum hinausreicht.

Die Chance nachhaltiger Zufriedenheit, Wohlbefindens und damit gesteigerter Produktivität.

Es gibt inzwischen mehrere Studien, die einen Zusammenhang zwischen Zufriedenheit mit der physischen Arbeitsumgebung und dem Erfolg des Unternehmens bzw. der individuellen Leistung herstellen (z.B. Gensler Workplace Survey 2008, BOSTI Studies, 2001).

Damit Sie dieses Potential gut heben können, braucht es einen intensiven Prozess der Einbindung und Beteiligung der zukünftigen Nutzer. Es gilt einerseits die Nutzer in ihren Bedürfnissen gut abzuholen, andererseits – und das ist das Elementare – sie auf die Reise in die neue Arbeitskultur mitzunehmen. Dazu gehört das Generieren neuer Bilder vom zukünftigen Arbeiten, Würdigung des Bestehenden und einen (teilweisen) Abschied vom Alten zu unterstützen. Je mehr die Beteiligten die neue Kultur und die neuen Räume mitgestalten können, desto eher erleben sie die neue Arbeitsumgebung als ihre eigene, identifizieren sich und es ist sichergestellt, dass nicht an den Nutzern vorbei geplant wird.

Der Spagat zwischen Eingehen auf die Nutzer und dem Aufbrechen alter, überholter Muster ist eine Herausforderung. Die Investition in eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der zukünftigen Arbeitskultur auf vielen Ebenen der Organisation ist einer der Schlüssel. Ein weiterer Schlüssel ist das kontinuierliche Beobachten, Lernen und Anpassen. Viele Details erschließen sich erst im tatsächlichen Leben in der neuen Arbeitsumgebung.

Die Chance einer Aufbruchsstimmung in eine neue Zeit.

Neue Räume sind ein starkes Signal. Sie können ein Signal sein für eine neue Zeit – ein neues Arbeiten – ein Signal der Wertschätzung. Räume, speziell neu gestaltete, senden immer eine deutliche Botschaft an die Mitarbeiter. Das kann reichen von „ihr seid hier wertgeschätzt, wir möchten Euch die besten Bedingungen für eure Arbeit schaffen“, bis hin zu „ihr seid austauschbare Rädchen in einer großen Maschine“.

Die Signale neuer Räume können Sie aktiv nützen. Als Start in ein neues Zeitalter des Unternehmens, einer neuen Strategie, einer neuen Zusammenarbeit, einem neuen Selbstverständnis, usw. Aber das passiert nicht von selbst. Nur in der Koppelung mit einem begleitenden Veränderungsprozess lässt sich dieses Potential nützen. Stimmt die Botschaft der Räume nicht mit Ihren sonstigen Botschaften überein, kann der Schuss nach hinten losgehen.

Gerade räumliche Veränderungen sind oft mit starken Emotionen verbunden. Tiefsitzende menschliche Bedürfnisse stehen hinter Ängsten, Widerstand und massiver Verteidigung des Alten. Das Eingehen auf diese Bedürfnisse und das Eröffnen neuer Vorstellungswelten, wie diesen Bedürfnisse auch in neuen Räumen Rechnung getragen wird, hilft emotionale Flächenbrände zu vermeiden. Flächenbrände, die die Freude auf das Neue torpedieren und die Aufbruchsstimmung ins Gegenteil verkehren können.

 

Um diese Potentiale tatsächlich nützen zu können, braucht es daher eine parallele kulturelle Veränderung. Einen Prozess der Auseinandersetzung mit der bestehenden und angestrebten Kultur, die Einbindung und Beteiligung der Betroffenen, die Bearbeitung der Ängste und Widerstände, das Schaffen neuer Bilder von Arbeit und Zusammenarbeit sowie eine gute Unterstützung der Führungskräfte.

Quelle Bild: Bene Headoffice (c) bene www.bene.com

von |November 18th, 2014|Schlagwörter: , , |